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22. April 2007

 

politisch sensibel war Ägypten schon immer ...


Nach der Verfassung von 1971 ist die arabische Republik Ägypten ein demokratischer und sozialistischer Staat. Der Islam ist Staatsreligion. Offiziell herrscht in Ägypten seit 1977 ein Mehrparteiensystem. Die soziale Solidarität ist die Grundlage der Gesellschaft. Der Staatspräsident, auf Vorschlag der Volksversammlung nominiert und vom Volk auf sechs Jahre gewählt, ist Quelle jeder politischen Grundsatzentscheidung und ideologischer Denkanstöße ...

Ja, so klingst das Ganze, trocken und auf die typischen Satzhülsen der Lexika und politischen Pamphlete reduziert. Und eigentlich ist es auch gar nicht mal falsch. Aber wie das so ist mit politischen Kürzeln in der ganzen Welt, sie sind auslegungsfähig, dehnbar im Sinne des jeweiligen Betachters und aus jeder Richtung irgendwie und immer anders gemeint. Ägypten macht hier grundsätzlich keine Ausnahme. Irgendwie ist Ägypten demokratisch, irgendwie gibt es in Ägypten ein Mehrparteiensystem, irgendwie nominiert die Volksversammlung und irgendwie wird in Ägypten auch gewählt. Aber alles halt eben nur irgendwie.

An anderer Stelle sagten wir bereits, dass Ägypten politisch sensibel ist, dass Husni Mubarak ohne Netz Politik auf dem Hochseil praktiziert. Vieles an Ägypten, der geographischen Lage und der jüngeren Vergangenheit prädestinieren das Land für eine Rolle, die ihm sowohl innerhalb der arabischen Liga als auch als “Checkpoint” zum Abendland eine besondere Gewichtung verleihen.

Alles der Reihe nach:

Im zweiten Weltkrieg war die Libysche Wüste Schauplatz dramatischer Gefechte. Unter Rommel unternahm die deutsche Wehrmacht Vorstöße auf den Suezkanal und wurde von Montgomery bei El-Alamein gestoppt. Zu dieser Zeit war Ägypten eine konstitutionelle Monarchie unter König Faruk. Vier Jahre nach dieser geschichtsträchtigen Schlacht, die maßgeblich den weiteren Verlauf des zweiten Weltkrieges geprägt hat, unterlag 1948 Ägypten im Palestina-Krieg, einer unmittelbaren Folge der Ausrufung des Staates Israel. Ägyptische Offiziere nutzten das jetzt entstehende Chaos für einen Staatsstreich und zwangen König Faruk zur Abdankung. Das “Komitee der freien Offiziere”, wie sich die Vereinigung dieser Offiziere nannte, wurde von General Nagib befehligt. General Nagib war es auch, der den Sturz Faruk’ zu Beginn des Jahres 1952 konkret herbeiführte und Nagib selbst griff auch unmittelbar in der Folge nach dem Amt des Staatspräsidenten. Ein Mann, der die Politik Ägyptens nachhaltig prägen sollte, war in dieser Zeit ebenfalls Mitglied im “Komitee der freien Offiziere”, Gamal Abdel Nasser. Nasser wurde schnell Oberkommandierender der ägyptischen Streitkräfte und unter Nagib bereits 1953 Innenminister. Nur ein Jahr später, im November 1954, griff der charismatische Nasser selbst nach dem Stuhl des Staatsoberhauptes, setzte - gestützt durch die Streitkräfte - Nagib ab und übernahm das Amt und 1956 fanden die ersten Wahlen statt, die Nasser als Staatspräsidenten bestätigten. Eine steile Karriere eines Mannes, der noch heute in Ägypten viele Bewunderer findet.

Nasser Gamal Abdel Nasser, am 15. Januar 1918 in Alexandria geboren, starb am 28. September 1970 in Kairo und lenkte die Geschicke Ägyptens von 1954 bis 1970 nach zunehmend (ehem.) sowjetischer Färbung aber ohne wirkliche und konkrete sozialistische Prägung.

1956 war auch eines der Jahre, in dem die Welt aufgrund problematischer Aktivitäten im Nahen Osten den Atem anhielt. Zuerst schloss Nasser mit Großbritannien den “Suezvertrag” ab, verstaatlichte aber nur wenig später den, aus vielerlei Gründen, eminent wichtigen Kanal. Großbritannien und Frankreich die, die ehemaligen Kolonialmächte in Ägypten, versuchten die Situation durch scharfe politische Drohungen zu klären, schlossen sich dann in einer Geheimkonferenz Israel an, das sich durch die Aktivitäten am Nil bedroht sah. Israelische Fallschirmspringer waren es dann auch, die im Oktober 1956 strategisch wichtige Punkte, darunter den Mitlapass besetzten. Die ägyptischen Truppen waren wohl auf eine derartige Dreistigkeit nicht vorbereitet und auch die Moral der Truppen war ganz offensichtlich nicht die beste; die ägyptische Armee zog sich fluchtartig auf sicheres Terrain zurück. Allerdings weigerte sich Nasser und somit Ägypten, die Forderungen der Koalition aus England, Frankreich und Tel Aviv - darunter natürlich die Freigabe des Suezkanals - zu erfüllen. Die Situation war zu diesem Zeitpunkt alles andere als geklärt. England und Frankreich begannen dann am 31. Oktober 1956 mit Luftangriffen auf die ägyptischen Stellungen in den Krieg einzugreifen. Die Vereinten Nationen versuchten politischen Druck auf alle beteiligten Parteien auszuüben und forderten die englisch- französisch- israelische Koalition auf, die “alte” Waffenstillstandslinie wieder herzustellen. Aber eigentlich waren es die USA und die damalige UdSSR, die in seltener Eintracht mit einem gemeinsamen Eingreifen drohten, und somit dafür sorgten, dass sich Israel bis zum März des folgenden Jahres vom Sinai und aus dem Gazastreifen zurückzog. Die freie Passage durch den Suezkanal wurde vereinbart und UN-Friedenstruppen sicherten die ägyptischen Grenzen sowie strategisch wichtige Punkte im Umfeld des Kanals und auf dem Sinai. Großbritannien und Frankreich kann man in diesem Zusammenhang als die eigentlichen Verlierer bezeichnen, sie verloren weiter an Einfluss und ihre koloniale Vormachtstellung in Ägypten war (bis auf den Fünfuhrtee) dahin. Nasser orientierte sich ab diesem Zeitpunkt sehr stark an der ehemaligen Sowjetunion, unternahm allerdings 1958 einen Versuch, zusammen mit Syrien die “Vereinigte Arabische Republik” zu begründen. Dieser Versuch scheiterte aber 1961 schon wieder, als sich Syrien aus dem Bündnis verabschiedete. Die ehemalige Sowjetunion war es auch, die zu Beginn der 60iger Jahre den Staudamm bei Assuan baute.

Dennoch, Gamal Abdel Nasser war das personifizierte arabisch nationale Erwachen. Noch heute wird seine Politik und vor allen Dingen seine charismatische Ausstrahlung von vielen Ägyptern bewundert. Nasser war, ist und bleibt Volksheld. Selbst die empfindliche Niederlage im erneuten Krieg gegen Israel 1967 kann daran nichts ändern, er verliert zwar den Nimbus als Gestalter der “Vereinigten Arabischen Republik, bleibt aber bis zu seinem Tod am 28. September 1970 unangefochten Staatspräsident.

Sadat Mohammed Anwar as-Sadat, ist am 25. Dezember 1918 in einem Dorf im Nil - Delta geboren und starb am 6. Oktober 1981 in Kairo an den Folgen eines Attentates, das während einer Militärparade von einem Offizier verübt wurde. Seine deutlich westlich geprägte Politik wurde ihm zum persönlichen Verhängnis.

Anwar as-Sadat, hat es schwer als Nachfolger des charismatischen Nasser. Eher zurückhaltend und in der Öffentlichkeit keinesfalls so präsent, beginnt er mit der Politik der leisen Töne und öffnet Ägypten immer weiter der westlichen Welt. Gleichzeitig reduzieren sich unter seiner Führung die sowjetischen Einflüsse. Aber bereits in der Regierungszeit von Nasser war Sadat eine überaus wichtige politische Persönlichkeit. Unter anderem war der Generalsekretär der Einheitspartei und Präsident der Nationalversammlung. Nach dessen Tob beerbte er 1970 den charismatischen Nasser.

Ein knappes Jahr nach seinem Amtsantritt schloss er mit der damaligen Sowjetunion einen Freundschaftsvertrag, schon ein weiters Jahr später entließ er die sowjetischen Militärberater, um so eine Annäherung an die USA einzuleiten, die bis dahin eher zurückhaltend bis skeptisch auf das Land am Nil schauten. Zum damaligen Zeitpunkt war für diese skeptische Haltung der USA weniger der “islamische Aspekt”, als vielmehr die Nähe des Landes zu der damaligen UdSSR verantwortlich.

Sofern diese westliche Orientierung auch auf Israel wirken sollte, blieb der Erfolg aus. Die Fronten verhärteten sich zunehmend. Der der Konflikt mit Israel ließ nicht lange auf sich warten. 1967 hatten diese im Sechstagekrieg den Sinai erobert. Anfang Oktober 1973 griffen die Armeen Ägyptens und Syriens Israel an. Dies bedeutete den Beginn des Jom-Kipur-Krieges. Besonders die Erfolge Ägyptens im Sinai brachten Sadat große Sympathien in der arabischen Welt ein. Dennoch musste Sadat auf Druck der UNO schon Ende November 1973 einem Waffenstillstand zustimmen.

Anfang 1974 gaben die Israelis den am Suez-Kanal gelegen Landstreifen an Ägypten zurück so dass dieser Seeweg wieder geöffnet werden konnte. 1976 kündigte Sadat den mit der damaligen UdSSR geschlossenen Freundschaftsvertrag. Damit wurde die Tür in Richtung USA - den Westen überhaupt - weiter geöffnet. In den nächsten Monaten war die ägyptische Außenpolitik geprägt von Versuchen, das Ägyptisch-Israelische Verhältnis zu entspannen. Der USA kam dabei eine besondere Rolle zu.

Vom 19. bis 21. November 1977 kam es zu dem historischen Treffen zwischen Sadat und Menachem Begin dem Ministerpräsidenten von Israel in Jerusalem . Dies war der Auftakt für Verhandlungen die durch die Vermittlung von US-Präsident Jimmy Carter zustande kamen und in dem Abkommen von Camp David 1978 endeten. Diesem Abkommen folgte am 26. März 1979 das erste Friedensabkommen Israels mit einem arabischen Land. Sadat und Begin erhielten dafür den Friedensnobelpreis des Jahres. Auch die Reaktion der arabischen Welt war eindeutig: Ägypten wurde daraufhin vorübergehend aus der arabischen Liga ausgeschlossen. Mit einiger Sicherheit besiegelten diese, in der westlichen Welt hoch geschätzten Aktivitäten, das weitere Schicksal des ägyptischen Präsidenten. Und die zudem von ihm angestrebte Liberalisierung der wirtschaftlichen und innenpolitischen Lage unterstützten die immer problematischer werdende Position innerhalb des Landes, ja gar innerhalb seiner eigenen Reihen.

Mubarak Mohammed Husni Mubarak wurde am 4. Mai 1928 in Musaliha in der Provinz Al Mnufjia im Nildelta geboren. Er ist seit 1981 ohne Unterbrechung Staatspräsident von Ägypten. Nach der Militärlaufbahn als Kampfflieger wurde er 1969 Stabschef und später Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Mubarak kämpfte im Oktoberkrieg 1973 als Generalleutnant und wurde April 1975 Vizepräsident. Anwar as-Sadat schickte ihn 1979 zu den Friedensgesprächen mit Israel. Nach der Ermordung Sadats wurde Mubarak am 14. Oktober 1981 Staats- und Ministerpräsident Ägyptens. Das Amt des Ministerpräsidenten gab er 1982 ab.

Die Rolle Ägyptens war nach der Annäherung an Israel durch Sadat in der arabischen Welt geschwächt. Unter Hosni Mubarak konnte Ägypten seine alte Führungsrolle innerhalb der arabischen Welt wieder zurück erlangen ohne die pragmatische Haltung Ägyptens im Friedensprozess des Nahen Ostens zu verlassen. Diesen äußerst schwierige Spagat beherrscht niemand besser als Mubarak, wer kennt sie nicht, die bereits zu den unterschiedlichsten Anlässen zelebrierten Verhandlungen in der ägyptischen Touristenhochburg Sharm el Sheik. Schon Mosche Dajan konnte sich im Zuge der Verhandlungen mit Ägypten von den Qualitäten Mubarak’ überzeugen. “Der mann ist kein Leichtgewicht, sondern ein sachkundiger harter Bursche” soll er nach den damaligen ersten Gesprächen lautstark postuliert haben. War Mubarak damals noch weitgehend unbekannt, ist er diesem Ruf in seiner mittlerweile 25jährigen Rolle als Staatspräsident bei unzähligen Gelegenheiten mehr als gerecht geworden.

Innenpolitisch konzentriert sich die Regierung auf die Belebung der Wirtschaft um die sozialen Probleme des Landes angehen zu können. Der sich gegen die Modernisierungspolitik regende Widerstand radikaler Islamisten, u. a. der Muslimbruderschaft wird unterdrückt. Allerdings kam es seit den vergangenen Jahren wiederholt zu Terroranschlägen islamistischer Extremisten gegen den Tourismus christliche Kopten und staatliche Amtsträger u. a. gegen Mubarak selbst - mehrmals - in den Jahren 1994 bis 1996.

Sowohl die Rolle Ägyptens in der arabischen Welt, wie auch Tatsache, dass die angestrebte Belebung der wirtschaftlichen Situation des Landes keine (oder zumindest zu wenige) Früchte zu Tage fördert, problematisiert jede Faser des Landes zunehmend. Der militärische Machtapparat muss beständig größeren Druck auf islamische Gruppierungen ausüben, um keine religiös motivierten Eskalationen zu riskieren. Teile Mittelägyptens können nicht mehr oder zumindest nur noch sehr schwer bereist werden, zu gefährlich ist die Lage dort. Islamische “Aktivisten” wurden und werden in großer Zahl verhaftet und zum Teil ohne Verhandlung über Monate kaserniert, wobei die Definition dieser “Aktivisten” sehr großzügig ausgelegt wird. Aber selbst dieser immense Druck bröckelt mittlerweile. Dies zeigt sich an kaum noch zu unterdrückenden Demonstrationen und dies hat sich gezeigt an den Terroranschlägen der letzten Jahre, die sich nicht mehr ausschließlich innenpolitisch manifestieren sondern jetzt auch massiv und rücksichtslos Touristen als Ziel haben. Aber auch im täglichen Leben wird immer deutlicher, dass die religiöse Prägung intensiver wird. Verschleierte Frauen sind mittlerweile die Regel, die Moscheen sind regelmäßig überfüllt, fundamental religiös motivierte Demonstrationen finden trotz Verbot statt und die “öffentliche” Kritik an der Regierung wird zunehmend lauter. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt.

Auf der anderen Seite wird der Druck auf Mubarak, sein Parlament und besonders seine Innenpolitik auch durch liberalere Politiker wie Noaman Gomaa (Wafd Party) und Ayman Nour (Tomorrow Party) größer. Beide Parteien wurden bei den Präsidentschaftswahlen im September 2005 zugelassen, hatten aber keine Chance. Über die Wahlen in Ägypten, deren administrative “Abwicklung” und überhaupt ... ließe sich tagelang trefflich diskutieren. Aber auch hier wird gesagt - zumindest hinter vorgehaltener Hand - nicht die Liberalen sind es, die hinsichtlich des Umganges mit ihnen dem Beobachter Probleme bereiten, die fundamental islamistischen Organisationen (bes. Muslimbruderschaft) bereitem die deutlich größeren Probleme, wenigsten aus westlicher Sicht. Bislang wurde deren Kandidatur mit großer “Kraftanstrengung” verhindert, die Gegenwehr der Organisationen selbst, aber auch von Teilen der Bevölkerung (vornehmlich in ländlichen und besonders armen Regionen) formiert sich immer deutlicher. Bedenkt man, dass im September 2005 Mubarak’ definitiv letzte Amtsperiode begonnen hat, sein politisch unbekannter und ungeübter Sohn nicht wirklich eine Alternative ist und bereits jetzt die Kritik, der (auch öffentliche) Druck, die Unzufriedenheit der Bevölkerung und die zunehmende Religiosität problematischer wird, stößt die Euphorie an ihre Grenzen.

 

 

 

 

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